4/14/2011

Dante Alighieri – historische Beispiele von Übertragungen




Die Leserschaft der „Göttlichen Komödie“ erfährt über die Jahrhunderte immer wieder neue und jeweils aktuelle am Zeitgeist sich orientierende Übersetzungen. Vermutlich alle großen Sprachkulturen stehen in dieser Auseinandersetzung und mit unterschiedlich qualitativer Entsprechung gelingt da Bleibendes aber rückwärts blickend auch kurios Anmutendes.
Eine wirklich schwierige Aufgabe im Spagat zwischen inhaltlichem Anspruch und irgendwie doch auch immer literarischer Selbstverwirklichung. Meinen Respekt haben all diese Autoren, auch wenn die eine oder andere Übertragung heute vielleicht belächelt werden darf, wenn sie all zu sehr verstaubt und verkitscht formuliert daher kommt.
Meiner Form der Annäherung als Maler und Zeichner helfen sie einzeln und im Ensemble.
Nur durch die gewiss mühevolle und sorgfältige Arbeit der Übertragungs-Autoren über die Jahrhunderte erhalte ich allmählichen Zugang zu Dante, um mir mein eigenes Bild zu machen. Wie hätten H. Heine oder F. Hölderlin „Die Göttliche Komödie“ in ihrer Zeit ins Deutsche übertragen? 
Eine besonders empfehlenswerte dreiteilige Ausgabe verlegt gegenwärtig der Philipp Reclam Verlag Stuttgart.
Prof. Dr. Hartmut Köhler arbeitet zur Zeit an der Prosaübersetzung „Paradies“, dem dritten Band der Trilogie. Soeben ist der zweite Band „Läuterungsberg“ erschienen. Die „Hölle“ erschien im letzten Jahr und fand große Beachtung unter den Kritikern. Ich selbst bin begeisterter Leser dieser Übersetzung, schon allein wegen der weit ausholenden und vor allem verständlichen Kommentare und Hinweise. Man darf mich einen Köhlerfan nennen.
Geduld und Lust sich zwischen diesen Welten und Zeiten zu bewegen sollte der Leser mitbringen. Einige Beispiele deutscher Übersetzung möchte ich hier unkommentiert vorstellen. Zunächst die Zeilen des Originals. Es folgt zitierend die aktuelle Übersetzung von Hartmut Köhler, danach wird es barock mit Lebrecht Bachenschwanz und abschließend hier und da etwas neogotisch bzw. historistisch mit bekannten Autoren des 19./20. Jahrhunderts. Viel Lesevergnügen beim Formulierungsvergleich und beim Entstehen der Lust auf mehr DANTE.   




INFERNO.  II. Gesang



Quali fioretti dal notturno gelo
   chinati e chiusi, poi che 'l sol li 'mbianca
   si drizzan tutti aperti in loro stelo,
tal mi fec'io di mia virtute stanca,
   e tanto buono ardire al cor mi corse,
   ch'i' cominciai come persona franca:
«Oh pietosa colei che mi soccorse! ...
Dante Alighieri



Wie Blümlein, die vom Nachtfrost gebeugt und verschlossen waren und nun von der Sonne beleuchtet sich alle wieder öffnen und auf ihren Stengeln aufrichten, so ging es mir mit meiner müden Kraft, und so viel guter Mut floss mir ins Herz, dass ich losredete wie ein ganz Kühner: „Ach die Mitleidvolle, die mir zu Hilfe kam!...
Hartmut Köhler



Wie zarte Blumen, die sich bey nächtlichen Frösten danieder beugen und zuschließen, alle, wenn die Sonne drauf scheinet, sich wieder in die Höhe richten und aufthun - eben so verhielt sichs auch mit mir bey meinen schwachen und abgematteten Kräften, und mir wurde so frisch und muthig ums Herz, daß ich ganz frey und beherzt ausrief: O du mitleidsvolle Schöne, die mir so zu Hülfe geeilet!...
Lebrecht Bachenschwanz



Gleichwie die Blum' im ersten Sonnenlicht, 
beim nächt'gen Reif gesunken und verschlossen, 
den Stiel erhebt und ihren Kelch entflicht; 
so hob die Kraft, erst schmachtend und verdrossen, 
in meinem Herzen sich zu gutem Muth 
und ich begann frohsinnig und entschlossen: 
"O wie ist Sie, die für mich sorgte, gut!..
Karl Streckfuß



So wie die Blume die im nächtigen Eise
sich schloss und neigte wenn ein Strahl ein blanker
sie trifft sich aufrecht und geöffnet weise:
so tat ich ein in meinen Kräften schwanker
und so viel Wagemut das Herz mir wandte
dass ich zu reden anhob wie ein Franker:
O sie die Gnädige die mir Hilfe sandte!...
Stefan George



Wie Blümchen sich, gebeuget und geschlossen
vom Nachtfrost, wenn die Sonne sie versilbert,
nun all' eröffnet auf dem Stengel heben,
ward jetzt mir der erschlaffte Mut erneuet,
und durch das Herz rann mir so edle Kühnheit,
dass ich begann zu ihm, ein Freigesinnter:
›O wohl barmherzig sie, die mir geholfen,…
Philalethes



Die Blümlein, die der Nachthauch schloss und senkte,
sobald die Morgensonne sie erleuchtet,
sich auf dem Stiel aufrichten und erschliessen,
so kräftigte sich mein gesunder Mut,
und so viel Sicherheit gewann mein Herz,
dass ich begann, wie wer von Zweifeln frei ist:
Gesegnet sei, die mir zu helfen eilte...
Karl Witte



Wie sich die Blümlein schließen und sich neigen
im Nachtfrost, aber scheint die Sonne heiter,
am Stengel offenen Kelches lichtwärts steigen,
so hob mein welker Mut sich tat-bereiter,
und so in Eifers Glut mein Herz entbrannte,
dass ich begann wie ein Albdruckbefreiter:
„O wie voll Mitleid sie die Hilfe sandte!...
Richard Zoozmann










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