3/01/2011

Wolfgang Tietze lotet im Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf Himmel und Hölle aus








DGK, Inferno, VII. Gesang, Styx heißt der Sumpf, den dieser traur´ge Bach da bildet..., 2010, 125 cm x 190 cm, Aquacryl / Tusche auf Aquarellpapier

 


Zwiegespräch eines Malers


Auf dem Ateliertisch von Wolfgang Tietze liegen drei verschiedene Ausgaben der „Göttlichen Komödie“ von Dante Alighieri, im Hintergrund läuft leise ein Hörbuch mit gleichem Inhalt. Die große altitalienische Jenseitsvision beschreibt Dantes Irrweg, der zuerst durch die unterirdische Hölle führt, wo sündige Menschen von grässlichen, vielgestaltigen Bestien attackiert werden, und schließlich nach der Passage des Fegefeuers im Paradies endet.
Der 1954 in Leipzig geborene Maler Wolfgang Tietze arbeitet sich durch diese 700 Jahre alte Verserzählung. An den darin beschriebenen Szenarien reizt ihn jedoch nicht, sie bloß zu illustrieren. Vor etwa 20 Jahren hat Wolfgang Tietze zum ersten Mal eine Ausgabe der Göttlichen Komödie in den Händen gehalten und seitdem lässt sie ihn nicht mehr los. Als er nun in diesem Sommer als Stipendiat des Landes Mecklenburg-Vorpommern in das Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf kam und ihm dort ganz unerwartet ein 100 qm großes Maleratelier mit 51 lichtdurchfluteten Fenstern für seine Arbeit zur Verfügung stand, fasste er nach Vorstudien den Entschluss, großformatige Bilder zu Dantes Werk zu schaffen. So entstanden in den letzten Monaten viele etwa eineinhalb mal zwei Meter große Arbeiten auf schwerem Büttenpapier, die Tietze „Entsprechungen“ nennt. Es ist ein Langzeitprojekt, eine sisyphusartige Suche danach, die Stimmungen der Erzählung in Bilder zu übertragen.
Wolfgang Tietze spricht davon, dass es ja eigentlich eine Anmaßung sei, sich dieses Monumentalwerk der europäischen Kultur, das voller philosophisch-theologischer Bezüge ist, als Ausgangspunkt für das eigene künstlerische Arbeiten zu nehmen. Sein Respekt vor Dante sei groß, aber er lähme ihn nicht. Etwa 4 bis 5 Tage arbeitet Wolfgang Tietze an einem Blatt. Manche nimmt er aber auch über Wochen immer wieder hervor, überzeichnet Stellen, fügt Textfragmente ein und stellt Farbverläufe mit selbst gebauten Pinseln an langen Bambusstöcken her, bis das Blatt für ihn eine „Stimmigkeit“ hat.
Die Farbigkeit seines Dantezyklus macht deutlich: Wolfgang Tietze schließt keine Farbe aus. Durch die hohe Pigmentdichte der verwendeten Aquacrylfarben, einer Mischung aus Acryl- und Aquarellfarben, leuchtet das gesamte Spektrum. Jedes Bild hat eine eigene Stimmung. Die Blätter führen den Betrachter sowohl in unbekannte Höllen, die mit zähnefletschenden Höllenhunden und Affen bevölkert sind, als auch in paradiesartige Welten, in denen schwebende Frauenkörper einen Zugang zu lang Ersehntem versprechen.
Wolfgang Tietze lebt von der Malerei, seine Arbeiten werden in Galerien ausgestellt und verkauft, und er unterrichtete als Gastdozent zuletzt an der Universität in Greifswald. Neben seiner Malerprofession ist er aber auch leidenschaftlicher Musiker und spielt im „Orchestrion Eva Blum“ Schlagzeug, Mundharmonika und Gitarre - jazzige Musik, die durchaus tanzbar ist. Seine Musikalität zeigt sich auch in seinem Wiepersdorfer Dantezyklus: Neben den unterschiedlichsten Farbakkorden tanzen schwarze Linien über die Blätter, formen sich zu Figuren, türmen sich zu Wirbeln auf, um dann wieder in zart-wässerigen Farbverläufen zu verschwinden.

Olivia Franke in der Ostseezeitung vom 09.12.2010




W.Tietze im Atelier Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf 2010  Foto: Archiv









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