12/01/2013

Herbstsalon Neubrandenburg / 1. Herbstsalon in Leipzig - Eine Erinnerung

Herbstsalon. Ein besetztes Wort. Ein Begriff der Kunstgeschichte.
Gestern nahm ich am "Herbstsalon" in Neubrandenburg teil.
Schon Mitte der Achziger gab es in dieser Stadt Neubrandenburg einen Herbstsalon. Damals in einer Villa am Ring daselbst.
Gastgeber war der darin residierende Kulturbund der DDR mit einer Filiale. Meine Kollegen in dieser Stadt nannten diese Veranstaltung bei der sie Ihre Bilder feilboten ebenfalls "Herbstsalon".
Ich kam damals frisch als Absolvent der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst dazu und war, wie es sich für einen jungen Maler gehört empört, dass man sich diesen Namen gab, der nach meiner Meinung einen Anspruch meinte, also kunst- und sozialgeschichtlich positiv besetzt war. Ein Begriff der über das Sich-Anbiedern (z.B. an FDGB-Funktionäre und andere Funktionäre) hinausgehen sollte, die am Jahresende nochmal Großeinkäufe tätigten.
Die Kollegen zeigten damals vorwiegend marktbewußt Gefälliges und Kaufanimierendes, was dem vermeindlichen Geschmack der geldausgebenden Funktionäre entsprach. Ich erinnere "Traktoristinnen",  Sonneblumenbilder u.ä.
Das fand ich widerlich!
Mit dem gleichgesinnten Kollegen Otto Sander Tischbein, der damals noch Otto Sander hieß, der wie ich dort teilnahm und der wie ich meinte, wir müssen das ändern, boten wir den Veranstaltern an, eine Eröffung des "Herbstsalon" in Neubrandenburg zu zelibrieren.
Heute würde man sagen; diese Eröffnung war ein Eklat! Wir würden es wohl heute rückwirkend Performance nennen.
Es war irgendwie eine viertelstündige Parodie auf all das, was wir beide nicht mochten.
Die Konsequenzen waren dennoch letztlich unerheblich. Es gab keine Stasiverfolgung. Schließlich waren wir ja clever bei unserem Coup und das in tiefster Provinz. Eine Ahndung unseres Tuns hätte uns gewiß geschmeichelt!

Meine Empörung bezüglich des Namens "Herbstsalon" in Neubrandenburg hatte damals seine Ursache darin, dass ich vormals in meiner Leipzig-Zeit sehr besonders an neuer, guter und engagierter Kunst interessiert war. Mein damaliger Professor an der Akademie in Leipzig konnte mit seiner Einflußnahme seinerzeit erfolgreich intervenieren und idiotische Beschlüsse höher Behörden in Berlin aufheben lassen. Man mag von Heisig als Künstler halten was man mag, ein Schutzpatron für die Kunst war er allemal! Und das allein hat bis in alle Zeiten unendlichen Respekt verdient!
Die DDR und das damaige Kunstgeschehen war schon etwas Besonderes, das heute allzu gern seltsam verklärt, mystifiziert und gelegentlich recht undifferenziert verallgemeinert wird.
Wie auch immer.
 
Es gab ebenfalls im November allerdings eben 1984 den "1. Herbstsalon" in Leipzig. Eine Aktivität, ein Geniestreich engagierter Maler dieser Stadt, die in der damaligen öffentlichen Wahrnehmung gern weggeschwiegen wurden. Diese Wagemutigen hatten plötzlich mitten in der Stadt in wirklich allbester Lage Öffentlichkeit, wie sonst kaum jemand! Ein Skandal ohne gleichen! So die damalige offizielle Meinung, die natürlich nicht öffentlich wurde. Wie diese Kollegen das anstellten, lest Ihr bitte hier:

 http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/autonome-kunst-in-der-ddr/55829/herbstsalon 

http://www.google.de/imgres?client=firefox-a&hs=zb8&sa=X&rls=org.mozilla:de:official&biw=1680&bih=937&tbm=isch&tbnid=Ocvd6wU8IN7AwM:&imgrefurl=http://www.wkv-stuttgart.de/en/program/2009/exhibitions/subversive/sections/leipzig-autumn-salon/&docid=NKz6BjKv7GERZM&imgurl=http://www.wkv-stuttgart.de/typo3temp/fl_realurl_image/04-leipzig-market-place-buildup-of-the-herbstsalon-in-the-background-the-alte-rathaus-leipzig-foto-karin-plessing-14.jpg&w=200&h=130&ei=mjibUtiYKImItQaryoC4CA&zoom=1&iact=hc&vpx=17&vpy=235&dur=340&hovh=104&hovw=160&tx=68&ty=55&page=1&tbnh=104&tbnw=160&start=0&ndsp=56&ved=1t:429,r:0,s:0,i:83

 http://www.dhm.de/ausstellungen/boheme/katalog_zentren/leipzig/leipzig31. 


Nun fand gestern in Neubrandenburg der 20. Herbstsalon statt. Der Rechner wird jetzt stutzen. Da stimmt doch was nicht? Wenn es in der DDR-Ära schon in Neubrandenburg in den Achzigern einen Herbstsalon gab? Klar zur Wende war erstmal Schluß mit dem Herbstsalon a la FDGB ect. Wenige Jahre nach der Wende entschied man sich dort unter nunmehr völlig anderen Bedingungen zu einem ähnlichen Vorhaben. Bedauerlicherweise, wie ich meine, mit dem alten Titel "Herbstsalon". Freilich nunmehr ohne TraktoristInnen allerdings noch mit reichlich Sonnenblumenbildern. Vielleicht mutiert diese kleine Mustermesse Bildender Kunst doch noch eines Tages zu einem Standort, wo wir Kollegen ausschließlich neueste Arbeiten zeigen, die sich am Thema Mensch und Gesellschaft aufreiben, provozieren oder versöhnen. Auf jeden Fall ob ihrer zweifelsfreien Qualität erregen! Dann hat dieser Titel "Herbstsalon" wohl noch mehr magische vielleicht gar überregionale Anziehungskraft und eines Tages diesen Respekt gebietenden Namen redlich verdient.