6/21/2012

Ausstellung im Kunstverein Dahlenburg

Noch an zwei Wochenenden sind Arbeiten von mir im Kunstfleck, der Galerie des Kunstverein Dahlenburg zu sehen. Sonnabends und Sonntags an den Nachmittagen kann man die Ausstellung besuchen. Am Abend des 1. Juli  wird sie dann abgebaut. Finale.





Kurz nach der Eröffung - Das Gespräch




An diesem Wochenende hat der Verein sein 10jähriges Jubiläum. Ich begegnete dort engagierten Kunstfreunden die mit viel Investitionen an Kraft, Zeit und mit Hingabe für die Kunst werben und streiten. Da stellt man gerne aus! Wer also Zeit hat, sollte dort am Wochenende mal vorbei schauen und Anteil nehmen. Man macht dort Geburtstags-Programm am 23. Juni!
Genaueres erfährt der geneigte Leser auf deren HP: http://www.kunstverein-dahlenburg.de





Eine Arbeit aus der Werkgruppe "Dante-Die Göttliche Komödie" Aquacryl, Tusche auf c-print







5/23/2012

KUNST OFFEN 2012 auch in meinem Atelier? Ja!

KUNST OFFEN 2012. Nach einiger Zeit der Zurückhaltung, aus kulturpolitischen Erwägungen, beteilige ich mich nun versuchsweise wieder an diesem Projekt. Mein Atelier halte ich zu Pfingsten (außer Pfingstsonntag) offen. Sowohl Sonnabend als auch Pfingstmontag bin ich bereit für Begegnungen vor meinen Arbeiten in meinem Atelier. Willkommen also zu KUNST OFFEN!




 Klickt man das Panoramabild an, wird es größer und man entdeckt den Einladenden im Atelier.
Foto: Falko Baatz








PS.: Nähere Daten zur Einstimmung finden Sie auch auf meiner HP:  www.wolfgang-tietze.de
Und noch eins; bitte nicht wundern, ich bin ausschließlich und absichtvoll nur im Informationsmaterial des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte gelistet, empfange aber dennoch Gäste aus aller Herren Länder zur Vistite im Gehäuse!









4/27/2012

INFERNO. CANTO XXXIV – Dann traten wir hinaus und sahen die Sonne wieder








DGK, 2012, Dann traten wir hinaus und sahen die Sonne wieder, 19,5 cm x 14,5 cm, Aquacryl, 
Tusche auf c-print,  umseitig Textzeilen  mit Bleistift







Lo duca e io per quel cammino ascoso
   intrammo a ritornar nel chiaro mondo;
   e sanza cura aver d'alcun riposo,
salimmo sù, el primo e io secondo,
   tanto ch'i' vidi de le cose belle
   che porta 'l ciel, per un pertugio tondo. 

Dante Alighieri 



   Diesen verborgenen Pfad folgend begaben der Führer
und ich uns auf den Rückweg in die lichte Welt. Und ohne
auch nur an ein wenig Ruhe zu denken,
   stiegen wir auf, er als erster, ich als zweiter, bis ich durch
eine runde Öffnung einige von diesen schönen Dingen
erblickte, die der Himmel trägt. 

Hartmut Köhler




4/05/2012

Mein Gleitflug - Bilderstrom in der Kunsthalle HH

Einmal im Imperium Bildender Kunst im Hause der Kunsthalle angelangt, eile ich straffen Schrittes durch beinahe alle Säle. Kaum Besucher. Ok. Draußen feiert die Natur die Wiederauferstehung der verloren geglaubten Sonne. Der Mensch streckt sein Gesicht in die ersten Strahlen, als könne er in dieser erstarrten Geste außerterrestrische Botschaften erwarten, wenn er nur ausdauernd genug  in dieser Geste verharrt.
Ähnlich geht es den Bildern im Hause. Alles wartet, so scheint es.
Mein flotter Gang wirbelt Staub auf. Wache Wachleute blicken verstört, als hätten sie etwas verpasst. Nein alle Bilder hängen noch an ihrem Platze. Ich will ja nur noch mal schnell nach dem Besuch bei Madame Louise Joséphine Bourgeois meinen Bilderspeicher im Hirn neutralisieren, bevor ich eine Visite bei den "müden Helden" in der Galerie der Gegenwart im zugehörigen Nachbarhaus mache. 
Müde Helden: Ferdinand Hodler, Aleksandr Dejneka – Neo Rauch / 17. Februar bis 13. Mai 2012 in der Kunsthalle Hamburg

Immer wieder muß ich auf „Stopp“ und „Rückwärts“ in meinem imaginären Durchgangsgetriebe schalten, weil selbst aus dem Augenwinkel betrachtet, das eine oder andere Bilddetail nach näherer Betrachtung ruft, ja brüllt. Ich lasse mich darauf ein.
Magisch angezogen; Stopp! Ein sehr schönes Vanitas-Bild von Barthel Beham. Ich drücke auf  den Knopf meiner Telefonkamera. Klick ein Detail dieses mich ergreifenden Bildes ist nun ohne Blitz, bestimmt leicht verschwommen, auf meiner Micro-Speicherkarte. Winzig klein verpixelt nunmehr in einem anderen „Aggregatzustand“?








Flugs geht es weiter. Von weitem mach ich die nächste Landung klar. Lucas Cranach, Caritas. Wieder klick, diesmal mit Personal im Rücken. Ich spüre wie enttäuscht der Kunsthüter ist, weil er mich nicht beim Blitzen erwischt hat. Ich will doch nur kleine Souvenirs, die mir später helfen, diesen Flug zu rekonstruieren.







Ich bin heute nur eine Fliege, die, ähnlich der von LB in einem Flakon, genussvoll durch die Räume surrt.
Ich bin erfreut, wie prima das noch funktioniert;  ehrfurchtslos durch die Hallen zu fliegen und doch dabei von Details der Weltkunst ausgebremst zu werden.
Etwas gruselige Anmutung plötzlich hier bei François Boucher, „Der Angler“. Die zwei Kinder fallen mir auf und ins Auge.








Weiter geht ´s. Berauschend und quasi impressionistisch Henri Fantin-Latour, nach dem eine Rosensorte genannt in meinem Garten steht, mit dem Bilde „Rheingold“. Surreale Tendenzen?






Unerwartet ruft nun ein Apfel in seiner grandiosen Malkultur. Claude Oscar Monet, Birnen und Trauben. Ich habe mich für den Außenseiter auf diesem Bild entschieden. Ein scheinbar unmaßgeblicher kleiner Bildausschnitt. Aber WOUH!










Abschließend nochmal Kindergesichter. Jetzt von Hans Thoma. Ich durchschwebe die Romantikabteilung. Diesmal weniger rokokoverzückte Darstellungen. Doch sind das tatsächlich Menschenkinder?



  


Letzter Eindruck vor dem Szenenwechsel:  Alberto Giacometti! In der Phase jugendlicher Selbstfindung uns Kunststudenten damals eine Ikone der Moderne, jetzt ein Teil  abendländischer Kunstgeschichtskonserve. Mir wird plötzlich deutlich, dass Kunstgeschichte, wie auch die eigene Zeit selbst, weiterläuft. So unvermittelt und zugleich erschreckend hatte ich Vergänglichkeit lang nicht wahrgenommem. Auf dem hier gezeigtem Abbild eine die Dramatik dieser Erkenntnis unterstreichende von mir vorgenommene Verfremdung durch Negativumwandlung. Ich denke A.G. würde es verzeihen. Das Original dieser lebensgroßen Figur steht zur Besichtigung in einer etwas separierten Umgebung, die Arbeiten der Neuzeit im Hause präsentiert.   







Durch ´s  Haus gefegt durchlaufe ich den unterirdischen Gang zum Nachbargebäude neben der alten Kunsthalle. Noch benommen von der Begegnung mit der großen LB und dem eiligen Gleitflug durch Jahrhunderte europäischer Kunstgeschichte erwartet mich nun per pedes ambitionierte Aufklärung bei: "Müde Helden".





Detail aus einem Bild von Aleksandr Dejneka. Füße. 



Ich gebe zu, ich bin nicht unvoreingenommen.
Leise hört man in Steh- und Sitzgruppen die eine oder andere Frage. Mal vorsichtig unsicher, mal aggressiv ablehnend. Noch immer über Jahrzehnte normativ: Was will das Bild uns sagen?
Warum gibt es eigentlich keine sprechenden „Kunst“-Postkarten in Museumsshops, die diesen oft doch recht albernen oder zumindest gelegentlich anmaßenden Job machen könnten? Kunstaufklärung to go! In der Kunsthalle habe ich mindestens drei solche Läden entdeckt.





Detail aus einem Bild von Aleksandr Dejneka. Ein Hintern.



Möglicherweise mache ich jetzt einen pfiffigen BWL-Studenten mit dieser hier eben offerierten Gratis-Geschäftsidee sehr vermögend? Ein sprechendes sich selbsterklärendes Stillleben auf einer „Kunst“-Postkarte. Nun gut. Ich gebe zu, es gibt auch liebenswertere Versuche mit und über Bilder zu sprechen. Noch tönen sie mir leise im Ohr die Fragen. Abschlussfragen, Alternativfragen, Angriffsfragen, Antwortfragen, Gegenfragen, Initialfragen, Kontrollfragen, Meinungsfragen, Monetärfragen, Motivfragen, Motivationsfragen, Nutzwertfragen, Referenzfragen, rhetorische Fragen, skalierende Fragen, skandierte Fragen, Stimulierungsfragen, Suggestivfragen, verdeckte Fragen, Wunderfragen und Zielfragen. Zum Beispiel nach dem Beginn des Rundgangs.





Detail aus einem Bild von Aleksandr Dejneka. Ein Fuß.


Vorweg, auch hier halte ich mich nicht allzu lange auf. Ein respektabler Besucherandrang.
Es ist nicht meine „Frequenz“, die möglicherweise von den Bildern N. Rauch ´s ausgehend mich erreichen könnte. Ferdinand Hodler und Aleksandr Dejneka hätten es da wohl leichter, würde ich mich ihrem Werk jetzt nur mehr öffnen können. Ich habe Hodler in meiner Jugend gemocht. In der Zeit als ich den Dichter Hölderlin, ohne ihn recht zu verstehen für mich entdeckte. A. Dejneka war in dieser Phase jugendlicher Orientierung ein Meilenstein sozialistischer Kunst in meiner Weltsicht. Vielleicht hier und da ein Schuß zuviel Agitprop-Kunst, aber es war ja auch eine radikale Umbruchzeit diese frühe Sowjetzeit in Russland. Ähnlich vielleicht wie die, die nun wieder global zu erwarten ist?  In den Bildern, in denen er sich als „Maler“ verliert, ist er am eindruckvollsten und erreicht mich als Betrachter nachhaltiger.

N. Rauch hingegen, den ein kleinerer Teil des ihm im Allgemeinen recht wohl gesonnenen Feuilletons gern als Hans Makart der Jetztzeit bezeichnet, hat es schwer bei mir mit seinem Bilder-Frachtgut. Wenn ich diese o.g. Kritikerbewertung  bisher auch für eine leichte rethorische Übertreibung hielt, bin ich nun verunsichert und geneigt diesem Urteil vorbehaltlos zuzustimmen.
Im dort gezeigten Film über und mit ihm fühle ich mich provoziert, hin und wieder zu fluchen und die Augen zu verdrehen, bis ich meinem Drang nachgebe, den Raum „aufgeklärt“ zu verlassen, indem mir überproportional, wie auch in der gesamten Ausstellung, der Gefeierte zu Worte und zur Geltung kommt. Doch das ist ja, wie ich erst später begreifen werde, Sinn der Übung. Einen Bindestrich hatte ich flüchtig übersehen!

Ich erinnere mich, als ich ihn damals als Kommilitone an der Leipziger HGB in seinem Hochschulatelier besuchte, an einen eher scheuen Bildgeschichtenmaler im Kanon seines Lehrers Arno Rink. Damals als Student erschien er mir als Person und Maler auf der Suche, in seiner Bildwelt überzeugender und glaubwürdiger zu sein. Auch wenn ich schon damals keinen Zugang zu seiner bildwerdenden Auffassung von Malerei fand. Nun das ist, wie ich gerade feststelle, gut 30 Jahre her.


Der Kunstmarkt hat ihn zwischenzeitlich beherzt in die Arme genommen. Das hinterlässt Spuren im Maler und in seiner Arbeit. Doch fiele mir für ihn, falls er mich um Rat ersuchte, auch keine hilfreiche Alternative ein. Das wäre auch eher der Job des Gottes der Malerei Chronos.
Wie man die Sache auch immer selbst bewerten mag, zumindest verdient auch er meinen wertschätzenden Respekt für seinen Fleiß und seine Art sich dem Martyrium Malerei zu stellen. Die Malerei ist halt doch ein sehr, sehr subjektives Geschäft.
Nach diesem Rundgang träume ich von einer großen Retrospektive von/für Aleksandr Dejneka, die vermutlich wohl momentan nirgends auf dem Zettel steht, setze mich auf mein Fahrrad und fahre …in die Sonne.  




Detail aus einem Bild von Aleksandr Dejneka. Eine Radlerin. 








4/02/2012

INFERNO. CANTO XXXIII – Als ein schwacher Strahl auch in den Schmerzenskerker drang






DGK, 2012, Als ein schwacher Strahl auch in den Schmerzenskerker drang 
14,5 cm x 20 cm, Aquacryl, Tusche auf c-print,  umseitig Textzeilen  mit Bleistift









Come un poco di raggio si fu messo
   nel doloroso carcere, e io scorsi
   per quattro visi il mio aspetto stesso, 
ambo le man per lo dolor mi morsi;
   ed ei, pensando ch'io 'l fessi per voglia
   di manicar, di sùbito levorsi...
Dante Alighieri 

   Als ein schwacher Strahl auch in den Schmerzenskerker 
drang und ich von den Gesichtern meinen eigenen Anblick
ablesen konnte, 
   da biss ich mir vor Schmerz in beide Hände. Und sie, sie
dachten wohl, ich täte das aus Essensdrang. Sie standen
schnell auf...
Hartmut Köhler



Wenn Sie dieses Blatt erwerben möchten, senden Sie bitte eine Nachricht per email.






Liebe Leser_innen dieses Blogs! 
Ab jetzt werde ich nun meine kleinformatigen Arbeiten zu Dantes "Göttlicher Komödie" hier im Blog in willkürlicher Folge vorstellen. Die bisher regelmäßigen Wochenend-Auktionen werden hier ab jetzt eher gelegentlich stattfinden. 
Diese selbstauferlegte Regelmäßigkeit hatte nicht nur Vorzüge im Arbeitsleben eines Malers und Zeichners, der ja unabhängig und flexibel sein will und muß. Ohne Unterbrechung habe ich diese kleinen Auktionen 14 Monate jedes Wochenende ins Netzt gestellt. Doch keine Sorge, natürlich bleiben alle weiterhin hier vorgestellten Arbeiten verkäuflich. Möchten Sie eine hier vorgestellte Arbeit erwerben, können Sie gern wie bisher eine mail senden.  

Erstaunlich für mich; weit über 13 000 Besucher waren in dieser Zeit auf meinem Blog. Ok der eine oder andere eher versehentlich. Aber immerhin ein großer Teil freiwillig und absichtvoll. All den Besuchern gilt mein Dank für ihr Interesse an meiner Arbeit als Maler und Zeichner.

Es wird sich noch etwas ändern. Gelegentlich berichte ich nun in posts von Ausstellungen, die mich in ihrer Qualität dazu animieren, darauf hinzuweisen. Entweder weil ich begeistert Zeuge sein darf oder aber auch, weil ich enttäuscht bin von dem was ich sah oder vielleicht erwartet hatte.
Bleiben Sie mir bitte weiterhin gewogen. Ich freue mich über das Interesse und empfinde es als ermutigend und postiv stimulierend für meine Arbeit. 








3/26/2012

Louise Bourgeois - Passage dangereux - Einblicke






Maman steht dort und empfängt beständig Menschen, die sich in Pose
unter ihren zahlreichen Armen auf einem Foto verewigen lassen.


Groß und beinahe unübersehbar wirbt die Kunsthalle Hamburg noch bis zum 17. Juni 2012 im Außenbereich für eine Ausstellung Louise Bourgeois mit dem Titel Passage dangereux.
In den 90ern begegnete ich ihren Arbeiten erstmals auf einigen größeren deutschen Kunstmessen. Vermutlich der Höhepunkt, der nicht allzulang davor begonnenen, überfälligen Erfolgsgeschichte. Wurde sie doch bis ins hohe Alter zunächst nur an wenigen Orten wertgeschätzt, überfluteten sie in ihren letzten Lebensjahrzehnten weltweite Offerten des Marktes um so mehr. Ich fand es damals toll, dieses Geschehen aus der Distanz mitverfolgen zu können.


Nicht zu übersehen die Signaturen auf den riesigen Blättern von À l'infini.


Waren es zu erst die beiden großen Granitkugeln von ca. 1m Durchmesser mit dem Titel  Augen, die ich zunächst für Brüste hielt, traf ich später in Galerien immer mal unerwartet auf Zeichnungen oder hier und da sparsam gezeigte plastische Objekte. Jedes mal war mir, von weitem auch unangekündigt, sofort klar von wem wohl diese Arbeit sei. Woran kann man eine Arbeit von LB von weitem erkennen? Im einzelnen nichts Ungewöhnliches für ein Auge, das sein Leben lang gern schaut. Unausweichlich ging von diesen Dingen, die man sah etwas unverwechselbar nahezu suggestiv Verlangendes aus. Der Verstand suchte keine Erklärung. Man lieferte sich dem Erspürten aus und war gefangen in dem sinnlichen Gespinnst, das diese große Dame des 20 Jh. spann. Es gibt Künstler_innen, bei denen gerät, so scheint es, was auch immer sie nur berühren, mit wenigen Handgriffen und Entscheidungen in eine Welt exklusiver Sinnaufweckung. Und es gibt sie noch, die Magie in der Kunst!


Szene aus dem dort gezeigten Film. Arbeiten von L.B.


Mit recht hoher Erwartung besuchte ich nun diese Ausstellung. Freilich nicht gänzlich unvoreingenommen. Es gibt Einiges zu sehen, das wirklich nur fragmentarisch und also unzureichend dem gerecht werden kann, was diese Frau an Bedeutungsvollem für die Kunst geschaffen hat. Dafür wird es Ursachen geben, die ich nun nicht ergründen mag. Zusammengetragen aus zahlreichen privaten und öffentlichen Sammlungen war es wohl unmöglich, eine noch breiter angelegte größer Show zu realisieren.
Das, was dort nobel installiert steht, hängt und liegt ist gewiss sehenswert!
Nur mäßig konnte der in einem Raum als Endlosprodukt laufende Film meine Erwartungslücke schließen. Ein sehr gut gemachter Film auch auf youtube.de, in übliche Zeitintervallen zerschnitten, zu sehen und abschließend im post anzuschauen.



Szene aus dem dort gezeigten Film. Arbeiten von LB


Vielmehr weckt dieser Fim noch eher das Bedürfnis nach einer doch bitte breiter und vielfältiger präsentierten Vorstellung des Werkes der LB, nach einer großen Retrospektive. Das ist diese Ausstellung nicht!
Nun es ist, wie es ist.
Immerhin sieht man einige Hauptwerke und die haben das Potential ihrem Werk, auch sparsam zusammen getragen, in Positionen gerecht zu werden. Natürlich sorgt die große über 9m hohe Spinne: Maman für prima Fotomotive im Außenbereich und lockt zum Eintritt in die spirituelle Welt von Madame LB. 




Aus der Radierungsserie À l'infini.



Die Radierungsserie À l'infini füllt einen Raum. Riesige Papierformate. Die Walzen der Radierpresse hätte ich gern gesehen, die da dem Drucker behilflich waren! Die Farbe Rot dominiert als Akzent und steht in ihrer Arbeit für Blut und Schmerz. Und ich erinnerte den Geruch von Blut, Geburt und Lebenssäften. 
Sehr schöne Blätter mit Unikatcharakter. Wenn ich richtig geschaut habe, waren das in kleiner Auflage verlegte Radierungen, die schwarz gedruckt, mit Deckweiß und lasierenden Rottönen übermalte wurden. 
Liebe, Geburt, Schmerz, Traum, Blutbahnen; davon spricht sie im erwähnten Film.


Aus der Radierungsserie À l'infini.



LB ist im traditionellen Sinne keine brillante Zeichnerin. Ihr Können wirkt durch infantil anmutende zarte Form suchende Lineamente, die nicht das Exakte, die Perfektion, das in akademischer Vollendung Gestaltete suchen. Eher ist es die formreduzierte, etwas ungelenk wirkende Handschrift einer Frau, der es immer wieder gelingt mit ihrer gleichnishaften, berührenden Bildsprache die Reise in die eigene Vita als Exkursionslabyrinth, in noch unbekannte aber schon mehrfach eingeschlagenen Gänge und Abgründe zu wagen. Es ist nicht das Abbild von Wahrnehmbarem und Allbekanntem das Feld ihrer Auseinandersetzung: therapeutisch, selbstheilend. Suche nach Wunden aus Kindheit und Jugend. Aus dem Jetzt. Die Kreatur bleibt schutzlos und verletzlich. Wunden im ICH werden von anderen neuen Verletzungen überwuchert. Aber es gibt Momente von betörender Schönheit und es gibt Hoffnung und es gibt Heilung. LB tastet sich unsicher, ängstlich, kraftvoll, zärtlich, ahnungslos und bewußt treibend durch diesen Dschungel ihrer seelischen Existenz. Und es entstehen Spuren dabei, die wir sehen auf Papier, Textilien, Fundstücken mit Gebrauchspatina, in Käfigen versammelt und also zur Betrachtung exponiert. Wir spüren eine Betroffenheit, weil wir in eine intime Begegnung mit LB geraten. Vielleicht von unerwarteter Intensität. Die Distanz zum Betrachter scheint aufgehoben. Die Begegnung ist unmittelbar und direkt. Keine ästhetischen Codierungen zum kollektiven Erraten von Bedeutungen. Traumbilder, die spröde und scheinbar unaufbereitet, glaubwürdig konserviert sind und die sich auf uns Betrachter übertragen. 
Wir haben zur Besichtigung ein Billet gelöst und nun sind wir hineingestolpert in das Dasein eines Voyeurs. 



Textile Arbeit hinter Glas gerahmt.


In weiteren kleinen nahezu intimen Ausstellungsräumen sieht der Besucher kabinettartig präsentiert textile, kleinformatige Arbeiten, die ihren Zeichnungen ebenbürdige Entsprechung sind. In handlicher Größe um- und zusammengenähte und applizierte Textilflächen. Auch hier finden sich zahlreiche eindringliche Bildformulierungen. Das gewählte Material begleitete sie ihr ganzes Leben. Immer wieder ist es Stoff, der Flächen und Raum ergreift. Ob plastische Köpfe, Figuren oder eben abstrahierte Flächen aus gesammelten Textilresten, hier ist nichts beliebig oder kunstgewerblich besonders attraktiv. Jede Arbeit ist stark durch Verdichtung und Reduktion auf das, was sein muß und nicht anders sein kann.
In dieser Ausstellung sind ausnahmslos, erfahren wir im Faltblatt, Arbeiten aus den letzten 15 Arbeitsjahren dieser 98 Jahre alt gewordenen Dame zu sehen. Zart, klein und gebrechlich sehen wir sie im Film. Mit Lust und wacher geistiger Kraft, mit der Bereitschaft Schmerz zu begegnen und mit genug Humor dieses Dasein zu erleben und Gestalt zu geben. Immer und immer wieder.



Textile Arbeit hinter Glas gerahmt.


Im großen Saal der Ausstellung steht ungewöhnlich groß und als ein Hauptwerk der Themengruppe Cells (Zellen) geltend die Arbeit Passage dangereux. Eine große  Zelle stellvertretend für die, die ich dort ergänzend erwartet hatte.




Passage dangereux

Der unvorbereitete Besucher findet in Passage dangereux einen quasi lebensgroßen begehbaren Drahtkäfig vor, der allerdings nicht zugänglich ist. Darin befinden sich sorgfältig zusammengestellte Fundstücke aus allerlei Zeiten und Orten, die von LB neu organisiert und nun mit gänzlich anderer sinnlich-assoziativer Bedeutung aufgeladen wurden. Kleine Szenen in Position gerückt mit Accessoires ergänzt, die sehr speziell den Eindruck verstärken. Ob nun die immer wieder auftauchenden Spiegel, Glaskugeln, knochenartigen Rudimente oder kleinste Flakons, überall ist das Maß der Inszenierung Mensch mit seinen Abgründen und in seiner Sinnlichkeit. Keine ästhetisierte Verklärung. Nein! Eine Bestandsaufnahme der Seelennöte und – lüste. Die ersten "Höllenkreise" sind durchschritten.




Passage dangereux. Detail.



Hier spürt der Betrachter dieses typische LB-Klima, dem man sich nur schwer entziehen kann, wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen. Szenarien, die Unbehagliches suggerieren.


Passage dangereux. Detail.


Für Eilige leicht zu übersehen, steht auf einem kleinen in Augenhöhe gewähltem Platz in diesem Gehege, nahe dem neugierigen Auge ein Ensemble von Tieren. Ein kleiner Löwe, handgroß und ein gläsernes kopfloses, etwas größeres Pferd. Wie ich im Film erfuhr, ein persönliches Geschenk von Le Corbusier. Ein Parfumflakon im früheren Leben. Im neuen Kontext der LB nun zum "Sarkophag" einer toten Fliege geworden. LB weist diesen „Freitot“ der Fliege zu, die den Verlockungen des Duftes offensichtlich nicht widerstehen konnte, in seiner neuen Bedeutung ein Gleichnis für lustvolles Leben, Rausch, Benommenheit und Tod.




Ein kleines Ensemble. Die erwähnte Fliege liegt im Pferd.



Auch diese kleine Microgeschichte erfährt man im Film. Ich schaute mir daraufhin den Flakon etwas gründlicher an, soweit das ausgesperrt möglich war und tatsächlich bei genauem Hinsehen entdeckte ich das Opfer einer Duftorgie im gläsernen Pferd. Und dort wird diese tote Fliege vermutlich noch ewig für das von LB interpretierte Verlangen unerreichbar aufgebahrt liegen bleiben.
Im selben dort gezeigten Film sah ich bei einer Einstellung, die den großen Käfig zum Thema hatte, noch in einer Ecke eine vielleicht ca. 0,5m hohe Maman-Variante. Ist sie zwischenzeitlich abhanden gekommen? Wurde sie nachträglich von Madame noch zu Lebzeiten entfernt? Ich, einmal gesehen, vermisste das Tier nun im Gehege. Hat ja/hätte sehr gut in das arrangierte Konvolut von Passage dangereux gepasst, meine ich argusäugig.


Bild aus dem Film. Louise Bourgeois.


All diese Objekte wirken wohl sehr viel eindrucksvoller, wenn der Besucher einen Moment erwischt, in dem keine Schulklassen in Trauben versammelt den Hinweisgeber_innen an den Lippen hängen oder gut betuchte, kulturbeflissene Seniorentrupps den affektiert-gespreizten Bildbeschreibungen, die routinierte Museumsführer_innen aus sich herausschrauben, geduldig zu verstehen suchen.



Einführender Text im Foyer. Zum Lesen bitte anklicken.

Was kostet diese Hamburger-Kunsthallen-Reise in die Welt der Louise Bourgeois? Nun 12,- € sind kein Pappenstiel. Doch es gab den freundlichen Hinweis, man könne damit das ganze Haus in sich mit Eindrücken aufsaugen. Was sich allerdings als schier unlösbare Herausforderung herausstellt, wenn man die unermessliche Größe der Sammlung laufend und sehend erfassen möchte.







Dieser Versuchung kann man widerstehen, muß man aber nicht. Ein flotter abschließender Rundgang durch die meisten Räume der altehrwürdigen Kunsthalle endete mit einer Visite im Nachbargebäude (inklusive) 
„Müde Helden: Ferdinand Hodler Aleksandr Dejneka – Neo Rauch”  zusehen noch bis zum 13. Mai 2012. Freunde der Bildwelt eines Neo Rauch werden dort auf ihre Kosten kommen. Meine alte und gleichermaßen neue Entdeckung war dann jedoch dort eher A. Dejneka mit seiner Malerei. 


Detail aus einem Bild von Aleksandr Dejneka

Böse Zungen könnten diese thematische-didaktische Ausstellung gern auch „N.Rauch and friends“ nennen. Dominat genug wird seine Arbeit dort gezeigt.
Ich behaupte, die toten Seelen von A. Dejneka und F. Hodler hatten keine Chance mit einem eingreifenden Veto auf diese Ausstellung Einfluß zu nehmen. Vermutlich wäre die Ausstellung nicht zustande gekommen. Ein eindeutiger Vorteil für den Kollegen N. Rauch.

Auf dem Weg zum Nachbargebäude noch eine unerwartete Begegnung mit dem Werk des 2010 verstorbenen großen Meisters der Zeichnung Paul Wunderlich. Hier sah ich nach Jahrzehnten Abstinenz plötzlich eine gelungene Auswahl von Lithographien desselben und staunte noch einmal über den graphischen Reichtum seiner bizarren köstlichen Zeichenkunst! Eine zeitlose Delikatesse!

Sorry für die schlechte Fotoqualität. Ohne Blitz mit einer "alten" Digitalkammera geknipst, sollten es nur hinweisende Dokumente werden. 


Einen sehr guten Eindruck von Louise Bourgeois und ihrem Werk kann man bekommen, wenn man sich den von mir erwähnten dokumentarischen Film, in der Kunsthalle gezeigt und im Internet in 6 Teile getrennt, auf youtube hier anschaut. Hier bitteschön Nr.: 1/6. 

















3/22/2012

INFERNO. CANTO XXXII – Laß mich deinen Namen tragen
















DGK, 2012, Laß mich deinen Namen tragen, 20 cm x 14 cm, Aquacryl, Tusche auf c-print,  
umseitig Textzeilen  mit Bleistift



"Omai", diss'io, "non vo' che più favelle,
malvagio traditor; ch'a la tua onta
io porterò di te vere novelle". 


"Va via", rispuose, "e ciò che tu vuoi conta;
ma non tacer, se tu di qua entro eschi,
di quel ch'ebbe or così la lingua pronta. 

El piange qui l'argento de' Franceschi:
"Io vidi", potrai dir, "quel da Duera
là dove i peccatori stanno freschi". 

Se fossi domandato "Altri chi v'era?",
tu hai dallato quel di Beccheria
di cui segò Fiorenza la gorgiera. 

Gianni de' Soldanier credo che sia
più là con Ganellone e Tebaldello,
ch'aprì Faenza quando si dormia". 

Noi eravam partiti già da ello,
ch'io vidi due ghiacciati in una buca,
sì che l'un capo a l'altro era cappello; 

e come 'l pan per fame si manduca,
così 'l sovran li denti a l'altro pose
là 've 'l cervel s'aggiugne con la nuca: 

non altrimenti Tidëo si rose
le tempie a Menalippo per disdegno,
che quei faceva il teschio e l'altre cose. 

"O tu che mostri per sì bestial segno
odio sovra colui che tu ti mangi,
dimmi 'l perché", diss'io, "per tal convegno, 

che se tu a ragion di lui ti piangi,
sappiendo chi voi siete e la sua pecca,
nel mondo suso ancora io te ne cangi,
se quella con ch'io parlo non si secca".
Dante Alighieri



O bruder ● sprach er ● den ich dir genauer
Bezeichne (und sein finger gab die lage)
War seiner sprache trefflichster bebauer.

In liebeslied und ritterlicher sage
Besiegt er alle. Lass die toren schwören
Dass ihn der Limosiner überrage!

Die wahrheit nicht ● geschrei nur kann sie stören.
Sie festen ihre meinung und sie sollten
Zuvor auf kunst und überlegung hören.

So hat Guitton den früheren gegolten.
Er hatte alle mund an mund zu lobern
Bis spätre wahre richter ihn gescholten ...

Doch konntest du das Vorrecht dir erobern
In jene ordenskirche einzutreten
Wo die gemeinde Christum hat zum Obern:

So magst du mir ein vaterunser beten ●
Des weitren braucht es nicht für unsre runde
Wo keine sünde mehr bedroht die Steten. –

Vielleicht um dann dem zweiten von dem bunde
Den raum zu lassen ● schwand er durch die helle
Wie fische durch das wasser fliehn zum grunde.

Damit sich der gezeigte mir geselle
Begann ich: Lass mich deinen namen tragen
In meinem sinn an liebevoller stelle!

Und er begann freigebig dann zu sagen:
Zoozeer verheugt my 't hoflyke in Uw vraag
Dat weigrend ik noch wil noch kan U plagen ●

Ik ben Arnaut die ween en zingend klaag.
Ik die aldoor verleden waan betracht
En vreugdvol hoop dat straks myn morgen daag'

Doch U bezweer ik door die zelve macht
Die tot den hoogsten trede U stygen doet:
Gedenk te rechter uur my en myn klacht! –

Dann barg er sich in reinigender glut.

Stefan George